Tuesday, November 6, 2012

Journalismus von der Front. Ein Wettbewerb für die Kriegsberichterstatter?

Ich muss zugeben, dass ich meinen Augen nicht ganz traute, als ich diesen Artikel auf Zeit.de gelesen habe: „Schreiben von der Front. Warum tötet der Mensch? Und wie berichten wir darüber? Notizen von einem Kriegsreportertreffen in einer französischen Kleinstadt.“ Das Thema hörte sich zunächst interessant an, was mich dazu brachte, den Artikel dann zu lesen. Der Inhalt war dann aber doch sehr überraschend: In einer Kleinstadt in der Normandie findet ein Wettbewerb für Bilder aus Krisengebieten statt. Nicht der alltägliche Journalismus wird hier ausgestellt und nominiert bzw. gekürt, sondern Bilder aus Krisenherden, Kriegsgebieten und den notleidenden Gegenden unserer Erde. Dabei werden die Bilder in Plakatgröße überall in der Stadt aufgehangen, so dass die Einwohner sich nur schwer dagegen zu schützen vermögen. Aber ist das ethisch, was da passiert? Sind Bilder von der Front (besonders, wenn sie öffentlich ausgestellt werden) etwas, was prämiert werden sollte?
Das Problem für uns Deutsche, dass auch in dem Artikel angesprochen wird, besteht in der Tatsache, dass wir Bilder aus Krisenregionen oft gar nicht von unseren eigenen Agenturen beziehen. Stattdessen ist es Gang und Gäbe im deutschen Journalismus, die Fotos günstig von den großen internationalen Sendeanstalten wie CNN, Agenturen vor Ort oder von Privatleuten einzukaufen. Nicht nur, dass dadurch die hohen Aufwendungen für Reisen wegfallen, man erspart den deutschen Reportern außerdem die Gefahren, die mit einem Besuch eines der krisengeschüttelten Ländern der Welt verbunden sind. Das klingt zunächst gemein und erinnert irgendwie an die Devise „Sollen die doch den Job machen!“. Vielleicht ist besonders deswegen der Fotowettbewerb in Bayeux, so heißt die französische Kleinstadt, wichtiger als man zunächst annehmen mag. Es geht darum, den Besuchern vor Augen zu führen, was Kriegsberichterstattung heißt. Dazu passt auch das Ehrenmal, das im Einsatz getöteten Journalisten gewidmet ist. Jeder einzelne wird dort namentlich erwähnt.
Die Bilder geben einen merkwürdigen Eindruck. Es ist ein Balanceakt zwischen Ästhetik, Information, Schockieren und Unterhaltung, was die Bilder zu erreichen hoffen. Jene von der Front, von denen es ja viele gibt, wie das Conflict Barometer eindrucksvoll zeigt, erfreuen sich nicht nur während des Wettbewerbs erhöhter Beliebtheit. Dabei gibt es „saisonale Schwankungen“. Je nach dem, welcher Krieg gerade „in“ ist, fallen Bilder aus anderen Regionen einfach aus dem Rahmen des Interesses der Öffentlichkeit. Und genau hier kommt wieder einmal die Verantwortung ins Spiel, die Fotografen zu tragen haben. Sie haben die Aufgabe, ins Bewusstsein zu rücken, was ihm zu entfliehen versucht. Guter Journalismus ist daher nicht nur die Wiedergabe dessen, was passiert ist, sondern muss sich bewusst sein, dass nur ihm möglich ist, den Leuten die Probleme der Welt vor Augen zu führen und sie zu motivieren, etwas dagegen zu unternehmen. Die Kampanie Kony 2012, über die ich hier auch schon geschrieben habe, bietet dazu vielleicht ein ganz gutes Beispiel.

Journalismus aus Krisengebieten in Bayeux (Quelle: Zeit.de)

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