Friday, August 31, 2012

Griechenlands Schulden und die Frage nach der Umverteilung – soziale Verantwortung?

Griechenlands Schulden – der Schuldenschnitt durch private Spenden?

Griechenlands Schulden kann entweder mit dem Drucken neuen Geldes oder einer Umverteilung beigekommen werden. Was wäre für die Deutschen wünschenswerter? Steht diese Frage überhaupt zur Debatte? Besser: Was wäre für die Griechen auf lange Sicht lngfristig erträglicher? Auch diese Frage trifft den Kern nicht besser, sind doch aktuelle Handlungen augenscheinlich eher kurzsichtig orientiert.
Daher gibt es jetzt eine Initiative, die Griechenland durch private Spenden entschulden soll. Greece Debt Free nennt sich die Seite eines Griechen, der in London lebt, arbeitet und jede Menge Geld gescheffelt hat. Die Situation seines Landes beschämt und verstört ihn, weshalb er diese Initiative gegründet hat und hofft, dass andere reiche Griechen, die ihre Geld sonst vor dem Fiskus zu schützen verstanden, nun einlenken und auch ihren Beitrag zur Entschuldung des Mittelmeerlandes leisten. Griechenlands Schulden werden dabei um das Siebenfach des Spendenbetrages reduziert. Wie genau das funktioniert, das müssen Finanzmarktexperten erklären. Was mir jedoch wichtig scheint, ist die Tatsache, das einmal mehr die Politik versagt und die Bürger daher lieber selber Hand anlegen, um alles wieder ins Lot zu bringen.

Umverteilung – der Schlüssel zur Glückseligkeit?

Es klingt immer so einfach, wenn man Linkspartei und anderen mal zuhört. Einfach den Reichen ein bisschen von ihrem Geld wegnehmen und alle Probleme sind dann gelöst. So einfach! Und wahrscheinlich zu schön, um wahr zu sein... Denn Umverteilung kann zwar viel leisten, aber eben nicht alles.
Es sei einmal ganz dahingestellt, um wie viel Prozent sich das Steueraufkommen erhöhen würde, wenn die oberen Zehntausend stärker zur Kasse gebeten würden. Und nehmen wir einmal naiv an, dass sie diese neuen Steuern auch brav entrichten und nicht ins Ausland retten würden. Was könnte eine Umverteilung dann wirklich leisten und was läge trotzdem fern jeder Lösung?
Sicher könnte sie soziale Schere effektiv am weiteren Auseinanderdriften gehindert werden, wenn auch der Abstand zwischen den Ärmsten und den Reichsten auf absehbare Zukunft wohl nicht mehr zu verringern ist. Und weiter? Würde nicht den Armen etwas gegeben werden, worauf sie gar keinen Anspruch haben? Auf welcher Grundlage ließe sich eine steuerliche Ungleichbehandlung eigentlich rechtfertigen? Wird nicht das normalerweise unantastbare Privateigentum der Reichen zugegriffen?
Wenn die einzigen Rechtfertigungsgrundlagen in der angenommene Solidarität unter den Bürgern eines Landes oder der Annahme, dass die Reichen nur auf Kosten der Armen reich geworden sind, zu finden sind, wird es schwer so etwas politisch und gesellschaftlich durchzusetzen. Politikverdrossenheit ist die Konsequenz, die ihren Ausdruck dann darin findet, dass NGOs und andere nicht an die Politik gebundene Initiativen entstehen, die dem Bürger und der Bürgerin helfen, ihrer Wut Ausdruck zu verleihen. Occupy Wallstreet, die JEF aber auch Freiwilligendienste lassen sich genau in dieser Reihe einordnen und es werden wohl noch viele andere folgen.

Soziale Schere (Quelle: f1online.de)

Thursday, August 30, 2012

Apostille und Legalisation – Was kostet das, wo bekommt man sie und wie lange dauert es?

Der Weg zur Apostille: Das Innenministerium in Potsdam (Quelle: maerkischeallgemeine.de)

Immer wieder kam während der Hochzeitsvorbereitungen meines Freundes das Problem der Legalisation auf. Bei dem internationalen Dokumentenverkehr gibt es zwar mittlerweile institutionalisierte Wege, aber wie genau was funktioniert war nicht immer ganz klar. Und welche Dokumente beglaubigt werden müssen und welche nicht, war auch nicht immer klar benannt.

Apostille – der Weg zu ihr

Eine Apostille muss man meistens zweimal besorgen. So musste die Verlobte meines Freundes zuerst in der Ukraine alle notwendigen Dokumente durch das Heimatministerium in Kiew beglaubigen lassen. Leider gibt es jedoch in der Ukraine eine strikte Trennung der verschiedenen Institutionen, so dass dort nicht alle mit einer Beglaubigung versehen werden konnten. Daher musste sie dann noch zu anderen Ministerien. Dass dies so sein würde erfuhr sie aber erst im Heimatministerium, wo sie von den Behörden, die ihre Meldebescheinigung ausstellten, hingeschickt wurde. Es einziges Hin und Her, die nicht wenig Nerven und Geduld erfordert!
Die andere Apostille brauchten die beiden dann, nachdem die Eheschließung vollzogen war. Es ging dann darum, die in Deutschland ausgestellten Papiere legalisieren zu lassen, um ihren Familienstand auch nach ukrainischem Recht ändern zu lassen, was dann über die Botschaft gemacht werden konnte. Um für die Heiratsurkunde eine Apostille zu bekommen, wandten sie sich zunächst an den örtlichen Bürgerservice, um dort allgemeine Informationen zu erhalten. Leider wusste man dort jedoch nicht einmal, was eine Apostille ist. Schließlich wurden sie telefonisch an eine höhere Instanz innerhalb der Stadtverwaltung verwiesen, die ihnen mitteilte, dass sie diese im Standesamt bekommen könnten. Also sind sie schließlich dorthin gegangen, um aber nur zu hören, dass sie sich an das Innenministerium des Landes wenden müssten. Aber immerhin gab es nun einen Informationszettel, auf dem alles wichtige vermerkt war: Adresse, Sprechzeiten, Kosten und auch, dass eine Ausstellung ohne Probleme postalisch möglich sei.
Um die richtige Apostille zu bekommen, denn je nach Bestimmungsland gibt es unterschiedliche Varianten, sind sie dann selbst zum Ministerium gefahren. Es dauerte denn auch nur wenigen Minuten, bis sie wieder raus waren. Pro Dokument wurde eine Gebühr von 12€ fällig, die vor Ort in bar bezahlt wurde. Leider fehlte ihnen derzeit noch ein Dokument, das sie einige Tage später dann mit der Post ans Ministerium schickten. Es dauerte weniger als fünf Werktage, bis es ebenfalls per Post und mit einer Rechnung, die ohne zusätzliche Kosten daher nur 12€ betrug, wieder bei ihnen angekommen war. Auf Landesebene scheint Bürokratie also zu funktionieren!

Legalisation – was passiert bei einer amtlichen Beglaubigung?

Eine Legalisation gibt es nicht für jedes Dokument. So können Anmeldungen bei der Meldebehörde zum Beispiel nicht mit einer Apostille beglaubigt werden. Wieso offenbart ein Blick hinter die Kulissen: Bei einer amtlichen Beglaubigung wird nicht nur die Form des Dokumentes auf Richtigkeit überprüft, sondern auch die Unterschrift des Verwaltungsbeamten mit einem von ihm oder ihr abgegebenen Probe verglichen. Stimmen die Unterschriften nicht überein, wird keine Beglaubigung ausgestellt. Klar, dass nicht alle Beamten aller Behörden dazu autorisiert sind, wichtige Dokumente für den internationalen Schriftverkehr auszustellen und daher auch keine Schriftprobe hinterlegt haben. Aber Standesbeamte müssen zum Beispiel alle im Innenministerium registriert sein und im System mit einer Unterschriftenprobe hinterlegt sein.
Die Legalisation ermöglicht letztlich die Vereinfachung des gesamten Dokumentenverkehrs. Auch wenn es manchmal etwas chaotisch zu geht und keiner zu wissen scheint, wer für was zuständig ist, so ist es immer noch um einiges einfacher und vor allem günstiger als zu irgendwelchen Botschaften zu rennen und dort hin und her geschickt zu werden. Außerdem ist der Weg per Post unkompliziert und bequem. Besser geht’s doch eigentlich nicht mehr.

Sunday, August 26, 2012

Pornografie – wann wird Aktfotografie vulgär? Warum gibt es mehr nackte Frauen als Männer?

Pornografie, ein heikles Thema auch in unserer ach so aufgeklärten Gesellschaft. Ich finde es manchmal wirklich merkwürdig. Als Jugendlicher habe ich mich noch aufgeklärt gefühlt, aber seitdem ich aus der Schule raus bin, ist das Thema Sex und Geschlecht irgendwie verschwunden, gerade so, als wäre der Wissensdurst und das Verlangen nach Beschäftigung mit dem Thema abrupt hätten verdrängt werden müssen. Deshalb wird es jetzt mal zum Thema gemacht! Zwar mit künstlerischem Anspruch, aber trotzdem kann es dabei auch mal vulgär zugehen.

Pornografie oder Kunst?

Das ist leider viel zu oft die Frage. Nur weil sich an einem Bild, das nackte Menschen auch meinetwegen in verfänglichen Positionen zeigt, irgendwelche Kunstbanausen aufgeilen, heißt es noch lange nicht, dass es keinen künstlerischen Wert besitzt. Im Gegenteil. Insbesondere wenn dem Künstler nur der Körper zur Verfügung steht, muss gekonnt mit den Instrumenten umgegangen werden, damit die Aussage des Schaffenden eingefangen werden kann. Oder die Kunstwerke werden einfach nur geschaffen, um von Betrachtern begafft zu werden. Aber selbst dann ist es ja noch Kunst, solange es Leute gibt, die sich daran ergötzen und ihre Freude in dem Werk finden können. Pornografie kann vielfältige formen annehmen und genauso wie ein Hollywoodfilm manchmal als künstlerisch wertvoll eingestuft wird, kann es auch Pornos geben, die ästhetisch gestaltet sind.

Aktfotografie zeigt mehr Frau als Mann

Interessant wird es aber, wenn man explizit auf die als Kunst wertgeschätzten Werke schaut oder sich einfach nur mal in Werbungen und dem alltäglichen Leben umschaut. Es überrascht da schon, dass die Frau wesentlich öfter zu sehen ist als der Mann. In der Aktfotografie war das ebenfalls der Fall. Eine Ausstellung von Larry Clark hat Besarin, auf den hier bereits mehrmals hingewiesen wurde, auf seinem Blog (bersarin.wordpress.com) angeregt darüber zu debattieren. Es gibt viel, was darüber gesagt wurde, und noch gesagt werden kann. Die Zeit hat sich online ebenfalls darüber ausgelassen.
Dass Aktfotografie auch politisch benutzt werden kann, abermals von Frauen, hat während des Arabischen Frühlings die junge Ägypterin Alia Magda al-Mahdi eindrucksvoll bewiesen. Nacktheit als Waffe? Die Männer benutzten da eher ihre Fäuste, um ihrer Frustration und ihrem Ärger Luft zu machen. Was ist nun besser?

Sexuelle Konkurrenz in der Ellenbogengesellschaft

Sexuelle Konkurrenz bleibt auf jeden Fall so lange, wie Männer und Frauen unterschiedliche Positionen in der Gesellschaft einnehmen, genauso ein Thema wie Feminismus. So ist unser Gemeinwesen eben aufgebaut und daran hat bisher auch kaum jemand gerüttelt, in dem Sinne, dass sich jemand zur Abschaffung von Konkurrenz eingesetzt hätte. Der Sieg des Kapitalismus über den Sozialismus hat dies als globaler Showdown ein für alle Male vor Augen geführt. Und so kann auch die Pornografie nur als Spiegel unserer Gesellschaft gesehen werden, indem uns das vor Augen geführt wird, was wir alltäglich ohnehin um uns herum finden können, aber oft nicht bewusst wahrnehmen.

"Jonathan Velasquez & Tiffany Limos" von Larry Clark, 2003 (Quelle: spiegel.de)

Foto-Collage "Knoxville" aus dem Jahr 2011 von Larry Clark (Quelle: spiegel.de)

Tuesday, August 14, 2012

Zuhause sein – glücklich sein, aber wo ist zuhause und was ist Heimat?

Wer viel auf Reisen ist, freut sich, wenn er wieder in die Nähe heimatlicher Gefilde kommt. Es wird ihm wohl ums Herz, und die Gedanken schweifen zurück, um jene Tage der Kindheit, der ersten Liebe, des ersten Kusses wieder wachzurütteln. Nostalgie kommt auf und es fällt uns schwer zu sehen, wie sehr sich alles verändert hat, wie sich alles im Fluss befindet und irgendwann einmal nicht mehr als das zu erkennen sein wird, was wir einst dort gesehen haben.
Zuhause sein ist immer etwas Emotionales, ein Gefühl der Verbindung zu einem Ort. Man kann nicht überall sein Zuhause sehen, denn die Verbindung, die man mit dem Ort zunächst eingehen muss, braucht Zeit, aufgebaut zu werden. Man ist zum Beispiel nicht gleich zuhause, nur weil man sich irgendwohin ein Haus hat bauen lassen. Schnell drängt sich daher die Frage auf, wo dieser Ort eigentlich ist. Wo ist zuhause? Was ist Heimat?
Foldedcranes hat das in seinem/ ihrem Blog einfach so formuliert: „Is home where you were born?“ Einfach Frage, einfach Antwort, oder? Eben nicht. Wenn es so einfach wäre, würden sich nicht seit Äonen Philosophen und Gelehrte darüber den Kopf zermartern. Für Kant spielte dieses Thema mit seiner Idee eines Weltbürgertums natürlich eine zentrale Rolle, oder eben auch nicht. Zuhause sein kann man Kant zufolge also überall. Das sind jetzt zwei konträre Meinungen, die keiner Versöhnung bedürfen, denn es gibt sie nicht, die Lösung.
Nur einen Punkt gibt es, der mit Misstrauen zu beobachten ist: Die Entwurzelung der Jugend führt derzeit zu einem massiven Verlust des Heimatgefühls. Sie verlieren das Gefühlt der Verbindung zu einem bestimmten Ort, halten sich stattdessen für Weltbürger (leider nicht in Kants Sinne), da sie hier und da leben können, sich sofort an neue Gegebenheiten anpassen können und mehr als nur ihre Muttersprache sprechen können. Was ist Heimat, ist eine Frage, die in diesen Lebensstil nicht hineinpasst und konsequent ausgeblendet wird. Stattdessen stehen Karriere, Suche nach sexueller Erfüllung oder „Glück“ die Hauptrolle in ihrem Leben.
Was auf der Strecke bleibt, ist klar: Der Einsatz und Kampf für die Verbesserung der Lebensbedingungen an einem bestimmten Ort. Nur wer sich für längere Zeit ein einem Punkt aufhält, kann Netzwerke aufbauen, negative Entwicklungen erkennen und dagegen ansteuern. Die Globalisierung nimmt den Individuen die lokale Verantwortung und lügt uns vor, dass wir global alle Probleme lösen können. Bleibt daher nur zu hoffen, dass sich dieser Trend nicht so weit fortsetzt!

Monday, August 13, 2012

Weißrussland wurde von einem Teddybär angegriffen – psychologische Kriegsführung heute

Teddybär als Friedensbote? (Quelle: tagesschau.de)

Weißrussland – die letzte Diktatur Europas

Lukaschenka und sein Reich. Weißrussland ist wahrlich nicht vom Glück gesegnet, wenn man es mal objektiv betrachtet. Am Rande einer Großmacht gelegen, keine eigenständige staatliche Tradition, über viele Jahrhunderte hinweg geografisch an einem völlig anderem Ort befindlich sehen die Weißrussen sich seit Ende des Zweiten Weltkriegs und dann nach der Auflösung der SU in einem eigenen Staat irgendwo in Osteuropa. Timothy Snyder hat sich intensiv mit dem Schicksal der einst blühenden multikulturellen Lebenswelt des heutigen Landes auseinandergesetzt und viel beschrieben (wie etwa hier), worüber die Weißrussen selber wohl nur den Kopf schütteln würden. Aber kein Wunder, denn wer anderes als Lukaschenkas ehemaliger Geschichtslehrer ist kurz nach seinem „Amtsantritt“ zum Bildungsminister ernannt worden. Naja, Weißrussland ist so oder so ein merkwürdiges kleines Land, die letzte Diktatur Europas, wie man oft vernimmt, irgendwo am Rande der Wahrnehmung, oder?

Teddybär – ein Kampf mit neuen Mitteln

Wohl nicht ganz. Ein Teddybär sagt mehr als tausend Worte, dachten sich die Initiatoren eines eher ungewöhnlichen Propagandakampfes zur Unterstützung der weißrussischen Opposition. Eine schwedische Werbefirma konnte nahe der litauischen Grenze die kleinen Plüschkämpfer aus einem Flugzeug abwerfen, damit diese wiederum mit Parolen bespickt der Opposition im Lande moralisch unter die Arme greifen könnten. So geschah es denn auch: Ein Regen der kleinen Fallschirmhelden prasselte auf die Bewohner der kleinen Stadt Iwjanet nieder und sorgt nun für mächtig Ärger. Dabei dachten sich die Schweden doch bestimmt, dass niemand auf Spielzeuge wütend reagieren würde, besonders wenn die auch noch so süß aussehen. Ein Teddybär soll doch eine Freude bereiten und keinen Grund für Zwistigkeiten. Nun, dass das der östliche Herrscher nicht so sieht, beweist der Fortgang der Geschichte, wie auf Tagesschau/de.ausland zu lesen ist. Lukaschenkas Reich ist eben kein Teddybärenland, das liebevoll manchmal Lukaland genannt wird. Da gibt es nicht zu kuscheln und zu mauscheln!

Friday, August 10, 2012

Nostalgie – Früher war alles besser, oder? Trügt der Schein? Wann war die beste Zeit?

Die Verklärung der Vergangenheit kann schon manchmal wundersame Blüten treiben. Ob es das Larpen und seinen im Dreck rumkriechenden Wochenenden ist oder einfach nur eine gigantische Ansammlung von Schwarz-Weiß-Fotografien im New Yorker Archiv, die uns bis heute begeistern können, immer gibt es etwas am Vergangenen zu bewundern, zu vermissen oder einfach eine unerklärliche Sehnsucht nach etwas zu hegen, was man nie wirklich gekannt hat. Nostalgie nennen wir dieses Phänomen gemeinhin. Aber das „Früher war alles besser“- Gefühl ist noch etwas ganz anderes. Es rührt von der Vergänglichkeit den Menschen her. Natürlich war früher alles besser, weil man früher noch jünger war. Wenn sich ein 60-jähriger an seine Jugend erinnert, gehen die Erinnerungen mit Gefühlen der Stärke und dem, dass alles möglich war, man alles tun konnte, einher. Früher war alles besser? Ja! Denn man selbst war früher besser und nicht an die Rountinen des Alltags, soziale Verpflichtungen oder die Gebrechen des eigenen Körpers gebunden.
Nostalgie kann aber auch in eine andere Richtung gehen, indem man sich in eine Zeit zurücksehnt, die man selbst nie erlebt hat. Sam.I.am hat auf seinem Blog über diesen Golden Age Thinking geschrieben und dabei den Film „Midnight in Paris“ zur Illustration herangezogen. Dabei sehnt sich der Protagonist in das Paris der 1920er Jahre zurück, als all die Großen der Literatur, des Film, der Malerei etc. sich in Paris versammelten. Für den nicht recht erfolgreichen Schriftsteller kommt dieser Zeit einem Paradies gleich, so zumindest in seiner Fantasie. Wie es der Zufall will, gelangt er wirklich in die Zeit zurück und muss schlussendlich erkennen, dass nicht alles Gold ist, was glänzt. Ein goldenes Zeitalter hat auch seine Schattenseiten und auch seine Leute, die sich ihrerseits wieder in eine besser Zeit zurückwünschen. So auch im Film: Die Dame, in die sich die Hauptperson in der Welt der 20er verliebt, verklärt das Ende des 19. Jahrhunderts dermaßen, dass der Mann es nicht verstehen kann. Er bekommt sein eigenes Verhalten quasi spiegelbilding vorgeführt.
Und die Moral von der Geschichte? Ein goldenes Zeitalter gab es nie. Ein paar wenige haben von sich behauptet in einem solchen zu leben, was aber meistens genau ins Gegenteil umschlug. Nostalgie, oder die Flucht vor der Gegenwart, ist gesellschaftlich anerkannt und kann auch nützlich sein. Indem wir nach Vorbildern suchen, werden uns erst die Missstände der Gegenwart sichtbar. Alternative Gesellschaftsmodelle tragen zur Auseinandersetzung mit dem Hier und Jetzt bei, fördern den Wunsch, etwas zu verändern und haben schließlich einen positiven Effekt auf die Welt, wie sie heute ist. Voraussetzung: Man kommt von den gelegentlichen Exkursionen in die Vergangenheit auch wieder zurück und verliert sich nicht im Dickicht längst vergessener Welten.

Nostalgie - Erinnerung an das Bessere (Quelle: designbysusanne.blogspot.de)

Thursday, August 9, 2012

Erwachsen werden in Deutschland – Eine Studie zu den Lebenswelten junger Deutscher

Erwachsen werden – die entscheidende Zeit im Leben

Erwachsen werden ist oft schwerer als man denkt und unterscheidet sich sehr stark von Ort zu Ort. Nicht nur die soziale Umgebung wie Freunde und Familie spielen eine Rolle. Auch die Möglichkeiten, die präsent sind, prägen unseren Blick auf die Welt. Und da gibt es große Unterschiede zwischen Stadt und Land, Peripherie und Zentrum infrastrukturelle Anbindung etc. In dieser Zeit reift der Mensch auch vom passiven Rezipienten der Gesellschaft zum Akteur und aktiven Mitgestalter der Umwelt heran. Erwachsen werden heißt daher auch sich emanzipieren, einen Beitrag zu einer Welt, wie man selber sie gerne will, leisten und anderen als Vorbild dienen. Wie wichtig diese Beiträge sind, habe ich schon mehrmals durch Freiwilligenprojekte gezeigt. In einer Studie durch Junge Deutsche soll dies erneut unterstrichen werden.

Lebenswelten junger Deutscher im Wandel

Nur durch Kontinuität können durch eine Studie wirklich nachhaltige Ergebnisse Erreicht werden. Die Lebenswelten Heranwachsender und deren Veränderungen werden daher jährlich erhoben. 2010 fing der Gründer dieser Studie noch allein mit dem Rad durch Deutschland unterwegs gewesen und hat Jugendliche zwischen 14 und 34 ohne Unterstützung interviewt. Letztes Jahr hatte er dabei bereits eine breite Anhängerschaft hinter sich, die in diesem Jahr auch die EU und die Initiative Junge Deutsche beinhaltet. Alle wollen mehr über die Lebenswelten erfahren, in denen sich die Hoffnungen der Jugendlichen entwickeln und ihre Bereitschaft zur gesellschaftlichen Partizipation entstehen oder eben nicht. Dabei werden nicht nur Wünsche und Ängste erhoben, sondern auch konkrete Vorstellungen über Möglichkeiten zur Verbesserung der Gesellschaft. Das Projekt ist bisher auf so große Resonanz gestoßen, dass es im nächsten Durchlauf europaweit durchgeführt werden soll. Die Planungen haben bereits begonnen. Aber an September steht erst einmal das diesjährige auf der Agenda!

Jugendbeteiligung – ohne Hilfe geht gar nichts

Das Projekt ist trotz der Unterstützerschar finanziell eher dürftig ausgestattet. Bei der Erhebungstour durch ganz Deutschland wird daher auf das Rad als Transportmittel und Couchsurfing als Logisvariante zurückgegriffen. Deswegen spielen weitere Unterstützer und freiwillige Helfer eine große Rolle. Je mehr Daten erhoben werden können, desto aussagekräftiger und repräsentativer werden die Ergebnisse über das erwachsen Werden ausfallen. Wer mitmachen will, kann selbst eine Erhebung in seinem Ort, seinem Viertel, seiner Schule etc. durchführen oder, sobald der Fragebogen online verfügbar ist, den Link teilen und selbst ausfüllen. Jugendbeteiligung beginnt mit einer Idee und der Bereitschaft, einen Beitrag zu leisten. Nur wer bereit ist, ein bisschen seiner Zeit zu investieren, kann auch erwarten, von der Gesellschaft und der Politik gehört zu werden!

Sunday, August 5, 2012

Feuerland erleben – mit dem Segelschiff von Griechenland bis nach Kap Hoorn

Feuerland – der Ort, um den sich alles dreht

Es ist schon eine Liebesgeschichte, wie sie im Bilderbuche steht. Auf Feuerland haben sich Jutta und Osvaldo kennengelernt. Dort haben sie geheiratet und nun sollte es auch wieder dorthin gehen. Ihr ganzes Leben scheint sich um diesen magischen Ort zu drehen. Nur diesmal sollte das ganze noch einmal etwas extravaganter werden, indem nicht einfach dorthin geflogen wird, sondern die Strecke von Griechenland mit dem Segelboot zurückgelegt wird. Dass Feuerland geografisch gesehen nicht um die Ecke liegt, ist jeden klar, aber erst wenn man einen Blick auf Juttas und Osvaldos Blog geworfen hat, wird einem wirklich deutlich, wie weit diese Reise ist.

Kap Hoorn – schnell hin, aber wie?

Wer sich auf den Spuren des Niederländers Hoorn bewegen möchte, braucht viele Dinge, um das Überleben zu sichern. Kap Hoorn, bis dort hat es jener Kapitän geschafft, der ansonsten aus dem öffentlichen Bewusstsein verschwunden ist, kann zwar vieles bieten, aber die Reise bis zu ihm birgt Gefahren. Ich habe da weniger die Übellaunigkeit der See im Kopf als vielmehr die der Crewmitglieder. Wer in einer normalen Partnerschaft lebt, weiß, wie schwierig es manchmal sein kann, den anderen nicht an den Kragen gehen zu wollen. Das Leben auf einem Segelboot erscheint da noch hundertmal komplizierter, da man ständig aufeinander hockt und sich nicht wirklich vor dem anderen verstecken kann. Wie viel Mut gehört wohl dazu, sich auf solch ein Abenteuer einzulassen? Und wie organisiert man so etwas?

Sponsoren finden für die eigene Weltumsegelung

Wer einen Blick auf den Blog wirft, wird schnell mitbekommen, wie die beiden ihr Unterfangen finanzieren. Naturgemäß können sie keiner normalen Beschäftigung nachgehen, solange sie sich auf dem Boot befinden. Daher haben sie Sponsoren angeworben, für die sie im Gegenzug auf dem Blog fleißig Werbung machen. Sponsoren finden kann übrigens jeder, der nur lange genug und zielgerichtet genug sucht. Ob nun Mountainbiking im Amazonas oder mit den Skiern durch den Himalaya, es gibt für jede Idee einen, der sie unterstützt, Globalisierung sei Dank!

Saturday, August 4, 2012

Paul Celan – Vorzeigepoet eines Lyrikfestivals oder Modeerscheinung in Czernowitz

Straßenzug in Czernowitz (Quelle: faz.net)


Paul Celan ist nicht der erste Autor mit ukrainischen Wurzeln, über den ich schreibe, denn zuvor hat Oksana Sabushko bereits einen Platz zugestanden bekommen. Ob diese Zusammenstellung nun gerechtfertigt ist oder nicht, eines haben die beiden, die eigentlich aus völlig verschiedenen Welten zu kommen scheinen, gemeinsam: Sie stammen beide aus der Ukraine. Um präziser zu sein: beide stammen aus Gegenden die durch verschiedene kulturelle Prägungen beeinflusst wurden. Bei Sabushko war es die alte Festsungsstadt Lutsk, die ihr die Heimat bot und mal der polnischen Krone, mal der ukrainischen Souveränität unterstand.
Paul Celans Herkunft ist ebenfalls im Westen des Landes zu suchen, aber letztlich weitaus südlicher zu finden. Die Gegend um die Karpaten, die weiträumig auch noch Lviv umfasst, hat mehr als jede andere Gegend die Wechsel der Geschichte, Auf- und Abstieg regionaler Großmächte und kulturelle Blüten ethnischer Gemeinschaften erlebt. Czernowitz, so die deutsche Schreibweise des heute ukrainischen Чернівці, in der historischen Bukowina, die sich von Nordrumänien über die Südwestukraine bis in den Norden Moldovas erstreckt, ist zwar keine Metropole wie Lviv geworden, kommt dem in seiner Prägung aber recht nahe. So gab es in beiden Städten polnische, ukrainische, deutsche und jüdische Gemeinden, die ihre eigenen Traditionen pflegten, ihren eigenen Religionen nachgingen und jeweils eigene architektonische Beiträge zum Bild der Städte beitrugen. So bietet ein Stadtrundgang durch Czernowitz ein Einblick in die ethnische Zusammensetzung der Region seit vielen hundert Jahren. Ein regionaler Schmelztiegel, ähnlich der Lvivs, hat sich hier herausgebildet und bis heute erhalten.
Es wundert daher nicht, dass jährlich ein internationales Poesiefestival mit dem Namen Meridian Czernowitz in der Stadt organisiert wird, über das 2010 auch die Frankfurter Allgemeine Zeitung schon berichtet hat. Es ist natürlich klar, das es in dem Artikel wie auch bei dem Festival im überwiegenden Maße um Paul Celan geht. Warum eigentlich? Nun ja, einst wurde er in einem kleinen Haus in einer noch kleineren Straße in der Stadt geboren. Eine Anekdote zu Paul Celan besagt, dass über viele Jahre das falsche Haus aus Geburtsort des Dichters ausgewiesen wurde. Erst, als eines Tages eine Jugendfreund Celans den Ort besuchte, korrigierte er den Irrtum. Seither befindet sich die steinernde Tafel am Nachbarhaus des ursprünglich als Geburtshaus Celans ausgewiesenen Gebäudes. Abgesehen von dem Haus gibt es noch einige Denkmäler und natürlich Straßennamen, Cafébezeichnungen etc., die alle an den berühmten mit der Todesfuge erinnern. Bleibt dennoch die Frage: Hat die Stadt nicht mehr zu bieten als nur den einen Dichter, der dann nicht mal mehr als ukrainisch gilt?
Der Ort fasziniert durch seine städtebauliche Struktur. Eher an eine mitteleuropäische Kleinstadt erinnern die kleinen Gassen, verwinkelten Straßen und gemütlichen Plätzchen, als dass man sich in Osteuropa zu befinden scheint. Die Universität, der ehemalige Bischofssitz, ist in dieser Hinsicht ein ganz besonderes Schmuckstück. Kleiner Tipp dazu: Als Besucher des Peosiefestivals ist man den Eintritt auf das Universitätsgelände gratis, sonst kostet er normalerweise.