Friday, October 12, 2012

Fotografieren um zu überleben – die kurze Geschichte eines Hobbyfotografen


Kürzlich ging es wieder einmal mit Couchsurfing auf Tour. Und es trat wieder ein, was bisher immer geschah, wenn ich mich bei einem wildfremden Menschen zu Hause einquartierte: Wir kamen nicht nur ins Gespräch sondern lernten viel von einander und unseren kulturellen Hintergründen. In diesem Falle fand ich mich bei einem Künstler wieder. Fotografieren ist seine große Leidenschaft, die beim ersten Blick durch seine Wohnung schon deutlich wird. Überall verdeckten Portraits, Landschaftsbilder und Kollagen die Wand. Eine der Kollagen zog meine Aufmerksamkeit besonders auf sich: „Der Schrei“ von Edvard Munch zusammengesetzt aus vielen kleinen Aufnahmen von schreienden Personen. Nicht nur ein besonders schönes Bild. In erster Linie eines, das zum Denken anregt, insbesondere da man einigen Personen ansieht, dass sie nicht wirklich geschrien haben.

Fotografieren, um zu leben

Wer selbst fotografiert, weiß auch, dass es zum Leben normalerweise nicht ausreicht, nur Fotos zu schießen. In der Regel ist es mehr ein Hobby, das von einem regulären Job begleitet wird. Bei meinem Gastgeber ist es irgendwie ein bisschen anders: Das Fotografieren hilft ihm, sich über Wasser zu halten. Er arbeitet hauptsächlich als Privatlehrer, was ihm einen Satz von unter zehn Wochenstunden einbringt und daher nur unzureichend seine Lebenskosten decken kann. Er verbindet quasi seine Leidenschaft mit der Linderung seiner Not. Aber natürlich kostet ihn sein Hobby auch viel, weswegen ich mit einer akribischen Kosten-Nutzen-Rechnung eher vorsichtig wäre. Für ihn ist die Sache aber klar: Ohne Fotografieren kein Überleben.

Überleben – mehr als am Leben bleiben?

Die Frage, was denn eigentlich Überleben meine und worin es sich vom Leben unterscheide, drängte sich beim Gespräch mit diesem Mann auf. Ist es ein Leben, wenn man sein Hobby dazu missbrauchen muss, seinen Lebensunterhalt zu bestreiten? Oder lebt der Mann seinen Traum, weil er sich dem widmen kann, was ihm liegt und was ihm Spaß macht? Würde ich das wollen oder doch eher die Trennung zwischen Spaß und Arbeit beibehalten? Gute Fragen, die sich wahrscheinlich so manch einer in einer Wohlstandsgesellschaft wie der unseren stellt. Dass Überleben für andere Menschen etwas anderes bedeutet, verliert man da schnell aus den Augen. Und wie schnell es von alltagsphilosophischen Fragen an die pure Existenz gehen kann, sieht man an vielen Familiengeschichten zum Beispiel aus Griechenland. Hoffen wir, dass es uns nicht bald ähnlich gehen wird!

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