Saturday, July 7, 2012

Öffentlicher Verkehr: In Tallinn soll es ab 2013 die kostenlose Nutzung des ÖPNV geben

Foto: Tram-Fahren in Tallinn bald gratis?
(p4.focus.de)
Immer wieder kommt das Thema mal auf: Soll es den Einwohnern einer Stadt möglich sein, den öffentlichen Personennahverkehr gratis zu nutzen? Der öffentliche Verkehr nimmt eine Schlüsselrolle in den Stadtplanungen moderner Großstädte ein. Nur mit ihm scheint es möglich, der chronischen Überlastung der Straßen durch Autos und Zulieferer zu begegnen und nachhaltige City-Zentren, die einen gewissen Lebensstandard bieten können, zu gewährleisten.
Das hat sich auch Tallinn so gedacht, kann man annehmen, denn im Frühjahr gab es dort ein Referendum zur Einführung der kostenlosen Nutzung des öffentlichen Verkehrs. Die Abstimmung fand ein positives Ergebnis. 75% der Stimmen sprachen sich für die Einführung aus, so dass der Weg frei ist, um das System 2013 einzuführen, so Focus online.
In Berlin wurde die Idee auch schon mehrmals unter anderem intern von den Grünen diskutiert. Dabei werden die Vorteile eines kostenlosen Nahverkehrs hervorgehoben: Entlastung, Nutzung durch sozial schwache Gruppen, Umweltfreundlichkeit etc. Aber warum machen es dann so wenig Städte? Offenbar gibt es also auch negative Aspekte, die es zu beachten gilt. Einer wäre, dass eine intensivere Nutzung höhere Wartungskosten sowie höhere Investitionen in den ÖPNV verursachen würden. Die entstehenden Kosten müssten aus anderen Mitteln als den Nutzungspreisen gedeckt werden, aber wie? In Tallinn wird dies wohl durch eine pauschale Steuer, die alle Bürger zu entrichten haben, geschehen. Letztlich findet also unabhängig von Art und Dauer der Nutzung eine Umlagerung der Nutzungsgebühren statt. Touristen würden davon dann natürlich komplett ausgenommen werden und würden den Verkehr absolut kostenlos nutzen können. Damit könnte Estlands Hauptstadt zum Geheimtipp unter Backpackern und Mittel- und Osteuropafahrern avancieren!
Das hört sich irgendwie wenig sozial gerecht an, wenn der Arme genauso viel beitragen muss wie die Reiche. Es würde also entscheidend von dem System der Umverteilung abhängen. Wenn der pendelnde Geschäftsmann mit einem Monatseinkommen von mehreren Tausend Euro genauso viel bezahlt wie die arbeitslose alleinerziehende Mutter aus dem Zentrum, die den ÖPNV kaum benutzt, muss wohl von einem System gesprochen werden, das die Kluft zwischen Arm und Reich vergrößert und im höchsten Maße als sozial ungerecht einzustufen wäre. Aber vielleicht bekommt es die Stadt in Zusammenarbeit mit dem Staat doch hin, ein gerechtes System auf die Beine zu stellen. Damit würde dem kleinen Land im Baltikum eine Vorbildrolle zukommen, das so manch andere Stadt zum Beispiel in Deutschland inspirieren dürfte. Aber zunächst heißt es wohl abwarten!

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