Timothy Snyder (Quelle: yale.edu) |
Die Geschichte Europas als transnationale Geschichte
Warum Snyder zur Zeit in aller Munde ist, offenbart ein Blick auf Sachbuch-Bestsellerlisten der letzten Monate. „Bloodlands“ ist zum Kassenschlager geworden, was eigentlich wundert, wenn man sich das Inhaltsverzeichnis ansieht, denn es scheint zunächst, als wenn er nur wieder die schon erzählten Geschichten des Holocaust und der stalinistischen Herrschaft repetiert. Aber weit gefehlt. In der Geschichte Europas, als dazu zugehörig sieht er Ostmitteleuropa definitiv an, spielt die Zeit der 1930er und 40er eine große Rolle, das ist auch bei ihm so. Was lange Zeit aber eine ebenso wichtige Rolle einnahm, waren die nationalen Perspektiven, die allzu oft und viel zu schnell zur Schwarz-Weiß-Malerei motivierten. Snyder gelingt, diese Geschichtsschreibungen mit ihren verkürzten Argumentationen und eingeengten Perspektiven zu überwinden, indem er die nationalen Stereotypen durchbricht und die Geschichte einer Region mehr als einer Nation zu beschreiben versucht. Wer einen Blick auf seine Aufsatzthemen wirft, dem wird schnell klar, dass Snyder auf diesem Gebiet zuhause ist. Er arbeitet seit Jahren zu den verschiedenen Sichtweisen der Polen, Ukrainer, Weißrussen und der baltischen Völker auf einander und hat sich mit Instrumentalisierungen nationaler Ressentiments zu den verschiedenen beschäftigt. Das ganze betreibt er auf einer Mezoebene, die versucht, Mikro- und Makroansätze zusammenzuführen und mit der Metaebene der Theorie zu verknüpfen. Die Versöhnung der verschiedenen Ebenen der Geschichtsschreibung – ein ambitionierten Vorhaben, was ihm in seiner Neuformulierung der Geschichte Europas auch gelungen ist.
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